Künstlerdorf Worpswede
Das Künstlerdorf Worpswede ist ein pulsierendes Zentrum des kulturellen Lebens im Landkreis Osterholz. Seit sich die ersten Maler 1889 in dem Moordorf niederließen, sind unzählige weitere Künstler ihrem Ruf gefolgt und haben dem Ort internationalen Ruhm eingebracht. Heute bietet Worpswede mit den hier lebenden 150 Künstlern und Kunsthandwerkern viel kunstsinniges Flair; eine vielfältige Museumslandschaft lädt ein, Kunst in einem inspirierenden Umfeld zu genießen, und die reizvolle Landschaft rund um den Weyerberg lässt noch heute erahnen, warum dieser Ort auf Künstler (und Lebenskünstler!) bis heute eine so unwiderstehliche Anziehungskraft ausübt.
Begonnen hatte das alles an einem Augusttag des Jahres 1889: Die drei jungen Maler Fritz Mackensen, Otto Modersohn und Hans am Ende hatten einige Wochen in dem Moordorf Worpswede verbracht, dort gezeichnet und gemalt und die Gegend erkundet. Sie waren begeistert von der rauen, kargen Schönheit der Moorlandschaft, von dem weiten Himmel mit seinen dramatischen Wolkenstimmungen, von dem magischen Licht, das Landschaft, Tiere und Menschen so intensiv leuchten ließ. Nun neigten sich die Tage der Sommerfrische dem Ende zu, der Abschied nahte.
Und da, an diesem Augustnachmittag, war plötzlich die Idee da: "Wie wäre es, wenn wir überhaupt hier blieben, zunächst mal sicher bis zum letzten Tage des Herbst, ja, den ganzen Winter. Wir werden Feuer und Flamme, fort mit den Akademien, nieder mit den Professoren und Lehrern, die Natur ist unsere Lehrerin und danach müssen wir handeln". "Ja, das war ein denkwürdiger Tag." So schildert ihn Otto Modersohn in seinem Tagebuch, diesen Moment, der zur Geburtsstunde der Künstlergemeinschaft und Künstlerkolonie Worpswede wurde. Was in den darauf folgenden Jahren geschah, lässt sich als eine beinahe unglaubliche Erfolgsgeschichte erzählen. Der kühne Entschluss der drei Künstler, sich in Worpswede niederzulassen, lockte weitere Künstler an. Unter ihnen waren Heinrich Vogeler, der 1894 als 22-jähriger ins Künstlerdorf kam und 1898, die ebenso junge Paula Becker, die heute als Paula Modersohn-Becker Weltruhm genießt.
Als Paula Becker nach Worpswede kam, war der Künstlerort bereits in aller Munde. Denn schon 1895 konnten die Künstler der ersten Stunde ihren Durchbruch feiern – mit einer Ausstellung in der Bremer Kunsthalle und im Münchener Glaspalast. Das bis dahin völlig unbekannte ärmliche Moordorf Worpswede hatte über Nacht nationale Berühmtheit erlangt.
Die jungen Worpsweder Künstler (die wir heute als die "Alten Worpsweder" kennen) vertraten eine malerische Auffassung, die unerhört neu war. Ihnen ging es darum, ihr intensives Erleben der Natur ganz unmittelbar in Kunst zu verwandeln. Mit diesem künstlerischen "Programm" zogen sie immer mehr Künstler an, die sich ebenfalls dem ursprünglichen Leben und Malen in der Natur widmen wollten. Hinzu kamen Schriftsteller und Intellektuelle, die sich auf dem "Barkenhoff", dem Wohnsitz Heinrich Vogelers und Treffpunkt der "Künstlerfamilie" trafen. Unter ihnen war auch der junge Rainer Maria Rilke, der um 1900 zum engsten Kreis der Worpsweder Künstlerfreunde gehörte.
Bald schon kamen auch die ersten "Kultur-Touristen" nach Worpswede. Daran hat sich nicht viel geändert: Bis heute ist Worpswede ein herausragender Anziehungspunkt für Künstler und Kunsthandwerker sowie für viele Tausend Gäste aus aller Welt, die dem "Dorf mit Weltruf" einen Besuche abstatten. Im Reigen der europäischen Künstlerkolonien nimmt Worpswede mit seinen rund 150 heute hier lebenden Künstlern und Kunsthandwerkern eine absolute Sonderstellung ein. Denn das Dorf im Teufelsmoor ist als einzige der über 100 historischen Künstlerkolonien bis heute ein lebendiger Künstlerort geblieben.
Eine reiche Museumslandschaft sowie zahlreiche Galerien und Ateliers, Hotels, Pensionen, Restaurants und Cafés inmitten des außergewöhnlichen Teufelsmoors machen Worpswede heute zu einem Ausflugs- und Reiseziel mit besonderer Ausstrahlung. Allein fünf Museen im Ort laden dazu ein Worpsweder Kunst zu entdecken. Auch die zahlreichen Galerien und die hier lebenden Künstlerinnen und Künstler laden zu Kunstgenuss und zur Auseinandersetzung mit aktueller Kunst ein.
Zwei der fünf Museen im Ort - Heinrich Vogelers Barkenhoff, der heute das Heinrich-Vogeler-Museum beheimatet und die von Bernhard Hoetger 1927 erbaute Große Kunstschau Worpswede - sind in den vergangenen Jahren aufwändig saniert worden. Hier erstrahlt alte Schönheit wieder in neuem Glanz und gibt einen lebendigen Eindruck von der Kreativität und Originalität der Worpsweder Gründergeneration. Bis heute stehen also in Worpswede Kunst und Künstler im Mittelpunkt; und das eigentümlich faszinierende Licht, das die Maler der ersten Stunde in seinen Bann zog, verzaubert heute wie damals die Besucher.
Dem Motto folgend - „Nur wer sich wandelt, bleibt sich treu"- haben die Worpsweder Museen in den vergangenen zwei Jahren ein gemeinsames Konzept für eine grundlegende Erneuerung ihrer Häuser entwickelt. Durch die schrittweise Umsetzung dieses Konzepts in den kommenden Jahren werden die Worpsweder Museen nicht nur in ihrer Substanz erhalten, sondern modernisiert und den heute erforderlichen museumstechnischen Standards angepasst. Ein Leitsystem durch den Künstlerort und seine Museen soll dem Besucher die inhaltlichen Bezüge zwischen den einzelnen Häusern vermitteln und Orientierung bei der Erkundung des Orts und seiner Museen geben. Erweiterte Ausstellungsflächen, neue Ausstellungskonzepte und die Erhöhung der Service- und Aufenthaltsqualität - z. B. durch Museumscafés - werden den Besuch der Worpsweder Museen und des gesamten Künstlerorts zukünftig noch attraktiver machen.